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Autoren A-F / A / Klaus Ahlheim

Ahlheim, Klaus: Ungleichheit und Anpassung - Zur Kritik der aktuellen Bildungsdebatte

  • Erziehung zur Mündigkeit. Die Aktualität des pädagogischen Adorno« - hieß die Abschiedsvorlesung, die der renommierte Erziehungswissenschaftler Klaus Ahlheim im Mai 2007 in Essen gehalten hat. Dieser programmatische Text steht am Anfang der vorliegenden Vorträge und Interventionen, mit denen der Autor das Thema weiter expliziert und deutlich machen will, daß »Ungleichheit und Anpassung« die verborgenen Zielvorstellungen aktueller bildungspolitischer Diskurse sind. [erscheint auf U4]

    Inhalt

    »Erziehung zur Mündigkeit«. - Die Aktualität des pädagogischen Adorno

    Ungleichheit und Anpassung. – Die »Modernisierung« der Weiterbildung

    Der emanzipatorische Kern lebenslangen Lernens

    »Reflektiere dich selbst und kommuniziere das«

    Zivilgesellschaft statt Gerechtigkeit?

    Brauchen wir noch Volkshochschulen?

    Die Stunde der Weiterbildung nach PISA

    Bilanz und Perspektiven politischer Erwachsenenbildung

    Der Autor:

    Prof. Dr. Klaus Ahlheim, geb. 1942, lehrte zuletzt politische Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Grundfragen und zur Wirkung politischer Erwachsenenbildung, empirische, theoretische und didaktische Arbeiten zu den Themen Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und zur Gedenkstättenarbeit.

    Im Offizin Verlag erschien seine kritische Studie über den Marburger Sozialethiker Dietrich von Oppen: »Geschöntes Leben. Eine deutsche Wissenschaftskarriere«

    Aus: Erwachsenenbildung (EB), Heft 1/2008, S. 57 f.

    BILDUNGSDEBATTE Klaus Ahlheim Ungleichheit und Anpassung – Zur Kritik der aktuellen Bildungsdebatte Hannover (Offizin) 2007, 125 S., 9,80 €

    Professor Klaus Ahlheim, Inhaber des Lehrstuhls für politische Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen, ist Anfang 2007 in den Ruhestand getreten. Er hielt im Mai 2007 seine Abschiedsvorlesung mit dem Titel »Erziehung zur Mündigkeit – Die Aktualität des pädagogischen Adorno«. Die Vorlesung eröffnet jetzt den Band »Ungleichheit und Anpassung«, der Aufsätze und Referate Ahlheims aus den Jahren 2000 bis 2004 versammelt, darunter etwa den grundlegenden Vortrag »Bilanz und Perspektiven politischer Erwachsenenbildung«, den der Autor auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung (GPJE) hielt. Enthalten ist auch ein Auszug aus der Publikation »Scheingefechte« (2004), mit der Ahlheim zu einer Debatte in der Zeitschrift Erwachsenenbildung abschließend Stellung bezog (vgl. die Vorstellung der Publikation in EB 4/04).

    Diese Debatte war durch einen Aufsatz Ahlheims mit dem programmatischen Titel »Mehr als Qualifikation – Profil und Chancen öffentlich verantworteter Weiterbildung« in EB 4/01 ausgelöst worden. Ahlheim hatte hier – festgemacht an Positionen von Professor Rolf Arnold – den neuen Trend angegriffen, die Anpassung an moderne betriebliche Qualifikationsanforderungen als Einlösung der Selbstverwirklichungsansprüche von Arbeitnehmern zu interpretieren und so den Aufklärungsanspruch politischer Bildung als überflüssige Zutat abzuschreiben. In der Folge nahmen Arnold (EB 2/02), Klaus-Peter Hufer und Ulrich Klemm (EB 4/02) Stellung. Zum Abschluss der Diskussion erschienen in EB 1/03 ein Grundsatzbeitrag von Professor Gerhard Strunk über das Verhältnis allgemeiner, politischer und beruflicher Weiterbildung sowie, verpackt in einen Briefwechsel, Repliken von Arnold und Professor Ekkehard Nuissl.

    Die Kontroverse kreiste um Fragen, die für die wissenschaftliche Tätigkeit und die erwachsenenpädagogischen wie weiterbildungspolitischen. Interventionen des streitbaren Hochschullehrers Ahlheim von zentraler Bedeutung sind: um das Spannungsverhältnis von Mündigkeit und Anpassung; um die Funktionalisierung von Bildung, um die Aufrechterhaltung sozialer Ungleichheit, um die technokratischen und affirmativen Tendenzen in Erziehungswissenschaft und Bildungspolitik. Dies sind auch die zentralen Themen der neuen Aufsatzsammlung, die damit zugleich ein Resümee des jahrzehntelangen Engagements Ahlheims in Sachen Erwachsenenbildung bietet – ein Resümee übrigens, das nicht rückwärts gewandt vergangene Auseinandersetzungen nachzeichnet, sondern in pointierter Form die Gegenwarts- und Zukunftsfragen der Bildungsarbeit behandelt, auch wenn es auf Traditionslinien einer kritischen Pädagogik zurückgreift.

    Deutlich wird dies etwa an Adornos Überlegungen zum Bildungswesen, deren unverminderte Aktualität Ahlheim herausarbeitet. Adorno wurde zwar im Jubiläumsjahr 2003 mit einigen Würdigungen bedacht, doch galt dies mehr den kulturkritischen und ästhetischen Arbeiten der Frankfurter Schule, die so um ihre gesellschaftstheoretische Brisanz gebracht wurde (vgl. »Kritische Theorie und Bildung« in: Praxis Politische Bildung 3/03). Ahlheim knüpft dagegen an den kritischen Bildungstheoretiker Adorno an, der sich in den 50er und 60er Jahren in besonderer Weise für eine zeitgemäße Erwachsenenbildung einsetzte. »Was Adorno etwa 1956 anlässlich des zweiten Deutschen Volkshochschultages einer notwendig kritischen, aufklärerischen Erwachsenenbildung ins Stammbuch schrieb, liest sich wie die Kommentierung der heute allenthalben vorgebrachten oder besser vorgeschobenen Globalisierungsargumente«, schreibt Ahlheim und zitiert aus dem betreffenden Aufsatz Adornos (Die Zeit, 41/1956): »Der neue Aberglaube ist der an die Unbedingtheit und Unabänderlichkeit dessen, was der Fall ist. Dem beugen sich die Menschen, als wären die übermächtigen Verhältnisse nicht selber Menschenwerk. Die Undurchsichtigkeit dieser Verhältnisse lässt sich aber durchdringen.« js

    Aus kursiv 3/2008 - von Christine Zeuner, Hamburg:

    „Eine wesentliche Funktion der Erwachsenenbildung ist die Aufklärung“

    Klaus Ahlheim: Ungleichheit und Anpassung. Zur Kritik der aktuellen Bildungsdebatte. Hannover (Offizin Verlag) 2007. 117 S.

    Klaus Ahlheim, der bis 2007 lange Jahre an der Universität Essen den deutschlandweit einzigen Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt politische Jugend- und Erwachsenenbildung innehatte, präsentiert in dem vorliegenden Band so etwas wie sein bildungstheoretisches und bildungspolitisches Vermächtnis. In dem Band sind neben seiner Abschiedsvorlesung „’Erziehung zur Mündigkeit’. Die Aktualität des pädagogischen Adorno“, die er 2007 in Essen gehalten hat, sechs weitere Beiträge aus den Jahren 2000 bis 2004, zumeist Vorträge, abgedruckt, in denen er sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Status quo bundesrepublikanischer Erwachsenenbildung/Weiterbildung und der politischen Bildung auseinandersetzt. Pointiert, den jeweiligen Kontext reflektierend, werden Tendenzen und Trends der beruflichen, allgemeinen und politischen Erwachsenenbildung quasi seziert und einer scharfen Kritik unterzogen. Ausgangspunkt und als durchgehendes Thema mit Variationen zu verstehen ist Ahlheims Auseinandersetzung mit den zunehmenden Ökonomisierungs- und Instrumentalisierungstendenzen, denen die Erwachsenenbildung/politische Bildung ausgesetzt ist. Deren damit einhergehende Funktionalisierung wird auf bildungspolitischer Ebene argumentativ mit der unumgänglichen Reaktion des Bildungsbereichs und der Individuen auf die Globalisierung begründet.

    Ahlheim geht in den verschiedenen Beiträgen diesen Argumenten nach und demonstriert Folgen, die die Funktionalisierung der Erwachsenenbildung/politischen Bildung in Bezug auf das Teilnahmeverhalten haben und setzt sich vor diesem Hintergrund kritisch mit der Frage der Aufgaben und des gesellschaftlich begründeten Nutzens der Erwachsenenbildung auseinander. Ahlheim formuliert diese Kritik als dezidierter Vertreter eines kritisch-theoretisch begründeten erziehungswissenschaftlichen Ansatzes, in deren Folge er sich mit dem herrschenden wissenschaftlichen „Mainstream“ der Erwachsenenbildung auseinandersetzt, dem er eine fahrlässige Aufgabe der ursprünglich gesellschaftlich begründeten Ziele der Erwachsenenbildung und politischen Bildung unter Marktgesichtspunkten vorwirft: „Offenkundig ist, daß der Inhalt politischer Bildung unwichtig ist und die Frage nach dem Bildungsbegriff sich schon gar nicht mehr stellt. Erfolg und Wirkung, auch politischer Erwachsenenbildung, werden am ökonomischen Ertrag festgemacht, in den Kategorien von Markt und Dienstleistung, von Angebot und Nachfrage, von meßbarem Input und meßbarem Output. Und die didaktisch spannende Frage nach der – mittelfristigen und längerfristigen Wirkung politischer Erwachsenenbildung – wird gar nicht mehr gestellt“ (S. 50).

    Konkret wird Ahlheims Kritik bspw. in dem Aufsatz „Ungleichheit und Anpassung. Die ‚Modernisierung’ der Weiterbildung“ (2004), der die vorherrschende Tendenz der Ökonomisierung der Weiterbildung unter dem Anspruch einer notwendigen Anpassung an die Modernisierung der Gesellschaft diskutiert. Ahlheim macht es sich zur Aufgabe zu zeigen, wie sich durch diese scheinbar notwendigen Adaptionsprozesse der Bildungsbegriff in der Weiterbildung nicht nur in der Praxis, sondern auch in der wissenschaftlichen Diskussion immer weiter verflüchtigt und wie „auch in der politischen Erwachsenenbildung das Gängige, Angepaßte, Affirmative allmählich dominant wird“ (S. 34). Die Argumentation spannt einen weiten Bogen über die Analyse der rückläufigen Weiterbildungsbeteiligung und der individuellen wie gesellschaftlichen Konsequenzen, die daraus für bildungsbenachteiligte Personen entstehen. Der zweite Teil des Beitrags beschäftigt sich mit der Erosion des Bildungsbegriffs und der Theoriedebatte der Erwachsenenbildung und der politischen Erwachsenenbildung. Ahlheim kritisiert scharf die aktuelle Tendenz, den Begriff der Bildung im Sinne von Aufklärung und Emanzipation in theoretischen Begründungen für Erwachsenenbildung aufzugeben und an ihre Stelle funktionalistische Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen zu setzen, nicht nur in der beruflichen Bildung, sondern auch in der politischen Bildung und diese damit zu reduzieren und zu banalisieren. Die weiteren Aufsätze variieren dieses Thema, in dem Beitrag „Zivilgesellschaft statt Gerechtigkeit“ (2004) diskutiert Ahlheim den politischen und gesellschaftlichen Trend, mit einer Debatte um „soziale Gerechtigkeit“ vor allem für die – wie auch immer definierten – Leistungsträger der Gesellschaft einzutreten, während sozial Schwache dabei bewusst ausgegrenzt würden. Ahlheim kommentiert diese Entwicklung mit den Worten: „Es gibt in der politischen Klasse und in der Medienöffentlichkeit (…) einen sehr weitreichenden Grundkonsens, der sich vom Gedanken einer nötigen, gerechten, wenigstens gerechteren Verteilung von Besitz, Vermögen, Wohlstand verabschiedet hat. Er bringt statt dessen Partizipationschancen und Beteiligungsmöglichkeiten einer Zivil- bzw. Bürgergesellschaft ins Spiel und vernachlässigt dabei sträflich den – nicht nur nach streng materialistischem Standpunkt – zentralen Zusammenhang eben von ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe“ (S. 57). Während die meisten Beiträge des Bandes überarbeitete Vorträge sind, die zu unterschiedlichen Anlässen bei Tagungen gehalten wurden, weshalb Stil, Diktion und inhaltliche Darstellung auf ein unter Umständen fachfernes Publikum Rücksicht nehmen, ist Ahlheims Abschiedsvorlesung in Teilen anspruchsvoll geschrieben. Der inhaltliche Grundgedanke, seine Kritik an der aktuellen unkritischen bis angepassten Haltung der meisten wissenschaftlichen Vertreter der Erwachsenenbildung/politischen Bildung, bleibt bestehen.

    Die Vorlesung, in deren Mittelpunkt eine Auseinandersetzung und Interpretation von Theodor W. Adornos und Hellmut Beckers 1969 im Hessischen Rundfunk geführten Gesprächs über die Chancen und Möglichkeiten einer Erziehung zur Mündigkeit steht, ist, biographisch gesehen, ein für Ahlheim folgerichtiger Inhaltsbezug. Geht es Adorno und Becker doch darum auszuloten, unter welchen Bedingungen eine Erziehung zur Mündigkeit möglich ist – dass sie nötig sei, wird von beiden Gesprächspartnern unter Rückgriff auf Immanuel Kant ohne Wenn und Aber einleitend festgestellt. Gegenübergestellt wird die Forderung nach Mündigkeit im Sinne der Aufklärung mit der Tendenz, in der Schule, der Ausbildung am Arbeitsplatz und der beruflichen Weiterbildung „Formen der Unmündigkeit [zu] perpetuieren“ wie es Becker formuliert (S. 11). Ahlheim stimmt dieser Ausgangsdiagnose zu und bezieht sie auf den heutigen Zustand von Aus- und Weiterbildung, indem er sich kritisch mit den mittlerweile propagierten verschiedenen Formen subjektorientierter Qualifizierungsansätze auseinandersetzt. Ihnen ist zwar einerseits die Möglichkeit der Entwicklung von Mündigkeit inhärent, andererseits aber sind sie, so Ahlheim, auch durchaus instrumentalisierbar: „Der Fortschritt birgt die Gefahr neuer Unfreiheit in sich, ohne daß sich solche neue Unfreiheit leicht zu erkennen gäbe“ (S. 12). Der Vortrag setzt sich im weiteren Verlauf mit den Kritikern Adornos auseinander, die ihm vorwerfen, mit dem Vortrag „Erziehung nach Auschwitz“ Erziehung trivialisiert zu haben (S. 19). Ahlheim hält dieser Kritik eigene Forschungsergebnisse zur Bildung von Vorurteilsstrukturen in der frühkindlichen Sozialisation und ihre Auswirkungen im Erwachsenenalter entgegen und bestätigt Adornos Einschätzung, dass sich Erziehung zur Mündigkeit, Autonomie und Aufklärung immer auf Kinder und Erwachsene bezieht. Denn, so Adorno: „Erziehung wäre sinnvoll überhaupt nur als eine kritische Selbstreflexion“ (S. 23), um dadurch die „Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung und zum Nicht-Mitmachen“ zu erlangen (S. 24). Ahlheim stimmt abschließend Adorno zu, der die Notwendigkeit, ein solches Bewusstsein zu entwickeln, als Aufgabe der Erwachsenenbildung definierte: „Eine wesentliche Funktion der Erwachsenenbildung ist die Aufklärung. Der neue Aberglaube, mit dem sie es zu tun hat, ist der an die Unbedingtheit und Unabänderlichkeit dessen, was der Fall ist. Dem beugen sich die Menschen, als wären die übermächtigen Verhältnisse nicht selber Menschenwerk“ (S. 31). Der kurze Band mit der Abschiedsvorlesung Klaus Ahlheims und einigen bisher unveröffentlichten Beiträgen wird sicherlich auf ein geteiltes Echo seiner Leserinnen und Leser stoßen: Diejenigen, die seine Meinung nicht teilen, werden ihn entweder ignorieren oder dagegen polemisieren – auch Ahlheim ist davon nicht frei, wenn er Vertreter der Zunft vorführt. Diejenigen, die seine Ansichten teilen, werden den Analysen zustimmen, vielleicht aber nicht immer den in den Beiträgen angelegten und beabsichtigten Polarisierungen folgen. Trotzdem ist es wichtig, dass der Offizin-Verlag die Veröffentlichung unterstützt hat, da entsprechende kritische Standpunkte in der Debatte um Sinn und Zielsetzungen der Erwachsenenbildung/ politischen Bildung zurzeit eher rückläufig sind und eine hierin angelegte mögliche konstruktive, inhaltsbezogene weiterführende Debatte durchaus wünschenswert wäre.

    REZENSIONEN:

    Ahlheim pp. in: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. 62. Jg. Nr. 239, März 2011, S. 43-44.

    Christine Zeuner in »kursiv. journal für politische Bildung«, Heft 3 (2008), S. 117-119:

    http://www.offizin-verlag.de/images/dbimages/upload/files/Zeuner%20Ahlheim.pdf


     

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