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Perels, Joachim (Hg.) : Auschwitz in der deutschen Geschichte

  • Wie konnte das Menschheitsverbrechen Auschwitz entstehen, wie wurde seine Realität durchlitten, worin bestanden die Folgen? Diese Fragen stellen sich die Autoren und Autorinnen dieses Bandes aus der Perspektive unterschiedlicher Wissenschaften. Das ermöglicht eine genauere, kritisch folgenreiche Wahrnehmung des Unfassbaren. Die Verfasser behandeln die Periode der Diskriminierung der Juden in Nazi-Deutschland, sichtbar gemacht an der judenfeindlichen Kirchenpolitik, an Maßnahmen der Verwaltung zur Zerstörung der ökonomischen Existenz der Juden, nähern sich der Realität von Auschwitz über Erfahrungen wie der von Ruth Klüger in »weiter leben«, analysieren den juristischen Umgang mit dem größten Verbrechen der deutschen Geschichte unter verschiedenen Aspekten, insbesondere in Untersuchungen zum Frankfurter Auschwitz-Prozess.

    Weiter widmet sich der Band literarischen und musikalischen Reflexionen der Nazi-Verbrechen, wie etwa in Peter Weiss’ Stück »Die Ermittlung«. Schließlich wird die Frage der Stellung zur Erbschaft des Nationalsozialismus in den Blick genommen: am Beispiel der Gedenkstätte Bergen-Belsen und der Virulenz des Antisemitismus.

    Inhalt:

    * Herbert Obenaus: Ruth Klügers Erinnerungen an Auschwitz

    * Claus Füllberg-Stolberg: Die Zerstörung der ökonomischen Existenz der Juden durch die Oberfinanzdirektion Hannover

    * Rüdiger Fleiter: Die Verfolgung der Juden und die hannoversche Stadtverwaltung

    * Gerhard Lindemann: Die hannoversche Landeskirche und die Diskriminierung
    der Juden

    * Christoph Perels: Gedichte auf Grund von Auschwitz. Zur Lyrik Paul Celans

    * Nina Noeske: Dialektischer Funke oderästhetische Gängelung

    * Stefan Weiss: Muskalische Abrechnung mit dem Tyrannen

    * John Cramer: Der Bergen-Belsen-Prozess von 1945

    * Helmut Kramer: Die Prinzipien von Nürnberg

    * Irmtrud Wojak: Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und der Auschwitz-Prozess

    * Ingo Müller: Das Urteil im Auschwitz- Prozess

    * Heinz Brüggemann: »Die Ermittlung« von Peter Weiss und ihre Kritiker

    * Jael Geis: Auschwitz und der Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden

    * Wilfried Wiedemann: Bergen-Belsen. Über die Wiedergewinnung des Gedächtnisses

    * Joachim Perels: Menschliche Nähe zu NS-Verbrechern in der Nachkriegszeit

    * Rolf Pohl: Über den Antisemitismus und die Schlussstrichmentalität heute

     

    Rezensionen:

    Aus: Hannoversche Allgemeine 30.01.2010 

    Als man Verbrecher zu Opfern machte. "Die Folgen des Zivilisationsbruchs: Ein Aufsatzband untersucht „Auschwitz in der deutschen Geschichte“. Von Simon Benne

    Es war, als wollte man das Geschehene ungeschehen machen. Als wollte man Spuren verwischen oder der Erinnerung die physischen Ankerpunkte nehmen. Bereits im Winter 1945/46 wurden Baracken, Zäune und Wachtürme des KZ Bergen-Belsen abgerissen, der Verkauf von Stacheldraht und Baumaterial an Bauern aus der Umgebung brachte insgesamt 18.000 Reichsmark ein. Die Gedenkstätte, die dort nun entstand, konzipierte der Landschaftsarchitekt Wilhelm Hübotter, der bereits die SS-Kultstätte Sachsenhain gestaltet hatte. So wurde der KZ-Gedenkort ästhetisch eine Kopie einer NS-Stätte, sagt Wilfried Wiedemann, bis vor zwei Jahren Geschäftsführer der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten.
    Ein Aufsatz Wiedemanns zu „Zerstörung und Wiedergewinnung des Gedächtnisses“ am Beispiel Bergen-Belsens ist jetzt in dem Band „Auschwitz in der deutschen Geschichte“ erschienen. Dieser umfasst 16 Aufsätze, die als Vorträge im Rahmenprogramm einer Ausstellung zum Auschwitz-Prozess vor einem Jahr im Landtag gehalten wurden. Viele der verständlich geschriebenen Essays, die sich auch als Referatsthemen für den Geschichtsunterricht anbieten, stammen von hannoverschen Wissenschaftlern. So untersucht Herbert Obenaus die autobiografischen Erinnerungen der Auschwitz-Überlebenden Ruth Klüger. Literaturwissenschaftler Heinz Brüggemann analysiert die kontroverse Rezeption von Peter Weiss’ Theaterstück „Die Ermittlung“, das einst den Auschwitz-Prozess thematisierte. Und Herausgeber Joachim Perels beschäftigt sich mit den 1952 veröffentlichten Erinnerungen des Gefängnisarztes Ludwig Pflücker, der bei den Nürnberger Prozessen Hauptkriegsverbrecher wie Göring betreut hatte und diese nun als eigentliche Opfer beschrieb. Es geht in den Aufsätzen um Jura, Kunst oder Theologie – allein die Vielzahl der Ansätze zeigt, wie prägend der Zivilisationsbruch Auschwitz für alle Lebens- und Forschungsbereiche geworden ist. Zugleich ist nach einer Untersuchung des Sozialpsychologen Rolf Pohl der Ruf nach einem „Schlussstrich“ immer noch laut. Und nach einer Umfrage sagen 71 Prozent der Deutschen, sie würde sich nicht trauen, „ihre wirkliche Meinung über Juden zu sagen“.

     

    Aus: Evangelischer Pressedienst (epd) von 27.01.2010

     

    Der Antisemitismusforscher Rolf Pohl warnt davor, einen Schlussstrich
    unter die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit zu ziehen.
    "Die Forderung nach einem Ende der Vergangenheitsbewältigung ist eine
    der neuen Erscheinungsformen des Antisemitismus in der Deutschen
    Nachkriegsgesellschaft", schreibt der Professor für Sozialpsychologie an
    der hannoverschen Leibniz-Universität Hannover in dem Buch "Auschwitz in
    der deutschen Geschichte", das am Mittwoch in Hannover vorgestellt wurde.

    Die Forderung nach einem positiven Nationalgefühl in Deutschland, das
    nicht durch die Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung der Juden
    getrübt sei, gebe es seit der Gründung der Bundesrepublik und verstärkt
    seit der deutschen Vereinigung, erläuterte Pohl. Diese
    Schlussstrich-Parolen würden auch von Vertretern der politischen und
    intellektuellen Elite vertreten, der bekannteste unter ihnen sei der
    Schriftsteller Martin Walser mit seiner Rede zur Verleihung des
    Friedenspreises des deutschen Buchhandels 1998.

    Der Wunsch nach dem Selbstbewusstsein einer "normalen Nation" sei
    zugleich Quelle für Größenfantasien und Fremdenfeindlichkeit, führt der
    Wissenschaftler aus. Denn die gewünschte Identität sei nur durch
    Ausgrenzen anderer zu erreichen. 1958 seien nur 34 Prozent der Deutschen
    der Meinung gewesen, es müsse endlich ein Schlussstrich unter die eigene
    Vergangenheit gezogen werden, 1965 waren es schon rund 52 Prozent. Im
    Jahr 2003 stimmten fast 70 Prozent der Einstellung zu, den Deutschen
    sollten die Verbrechen an den Juden nicht mehr vorgehalten werden.

    Der Versuch, die Schuld abzuwehren, führe dazu, dass aus den Opfern
    Täter gemacht würden, so Pohl. Dies zeige sich etwa in Äußerungen zur
    Besatzungspolitik Israels gegenüber den Palästinensern.
    Selbstverständlich sei eine Kritik an der Rolle Israels im
    Nahostkonflikt legitim und notwendig. Diese Kritik werde jedoch dann
    antisemitisch, wenn sie Vergleiche mit dem Nationalsozialismus benutzte
    und etwa vom "Holocaust an den Palästinensern" spreche.

    Das von dem Politikwissenschaftler Joachim Perels aus Hannover
    herausgegebene Buch "Auschwitz in der deutschen Geschichte" fragt aus
    der Perspektive unterschiedlicher Wissenschaften nach den Ursachen und
    Folgen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Vernichtungslager.
    Es analysiert die Diskriminierung von Juden durch die öffentliche
    Verwaltung und die Kirche während der NS-Zeit sowie den juristischen
    Umgang mit dem größten Verbrechen der deutschen Geschichte. Weiter
    untersucht es am Bespiel der niedersächsischen Gedenkstätte
    Bergen-Belsen die Entwicklung der Erinnerungsarbeit.



    REZENSIONEN:

    Elisabeth Abendroth, Interdisziplinäre Annäherung. In:Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums. 50. Jg. Nr. 197,(2011), S. 198. (PDF 450KB)

    Rezension von Ralf Hoffrogge in LINKE-Rundbrief 3-4/2010 (PDF 1 MB)
     

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